Mein Weg in die agile Softwareentwicklung

Vertrauen ist gut. Kontrolle ist schlechter.

Vertrauen? Wat soll dat, wat is dat?

Vertrauen ist das Dach, das agile Softwareentwicklung zusammenhält. So steht im Scrum Guide:

Wenn die Werte Selbstverpflichtung, Mut, Fokus, Offenheit und Respekt durch das Scrum-Team verkörpert und gelebt werden, werden die Scrum-Säulen Transparenz, Überprüfung und Anpassung lebendig und bauen bei allen Beteiligten Vertrauen zueinander auf.

Vertrauen ist nicht nötig, wenn man alles weiß und kein Risiko besteht. Vertrauen wird wichtig in Situationen, die als unsicher empfunden werden und/oder deren Ausgang mit einem Risiko für das Individuum verbunden ist. Vertrauen entsteht nicht im luftleeren Raum, sondern bedarf einer Grundlage (der Vertrauensgrundlage). Das können eigene Erfahrungen sein, oder das übertragene Vertrauen einer Person, der man vertraut oder auch die Einsicht in die Notwendigkeit staatlichen oder institutionellen Handelns.

Entsteht Vertrauen durch Erfahrungen, so muss man Vertrauen schon einmal erfahren haben, z.B. in einer Situation, in der man Vertrauen geschenkt bekommen hat (den sogenannten Vertrauensvorschuss). Idealerweise ist das bereits in früher Kindheit geschehen, so dass sich ein Urvertrauen bilden konnte, auf das man nun aufbauen kann.

Um Vertrauen zu erhalten, muss man Vertrauen schenken, den initialen Vertrauensvorschuss geben. Vertrauen schenkt man dadurch, indem man sich bewusst einer Situation aussetzt, in der man verletzbar ist, darauf hoffend und bauend, dass der Beschenkte dieses Vertrauen nicht missbraucht und die Verletzlichkeit zu eigenem Vorteil ausnutzt. Geschieht dies nicht und wird der Vertrauensvorschuss angenommen, so ist der erste Schritt zu echtem Vertrauen getan und der Vertrauensnehmer zeigt sich als vertrauenswürdig.

How To in der alltäglichen Arbeit

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der Weg zu einem echten Vertrauen im Team nur durch Leben der Scrum Werte ein langer und mühseliger ist. Man kann lange darauf warten, dass jemand den Vertrauensvorschuss gibt und jemand anderes ihn annimmt. Deshalb setze ich immer wieder in regelmäßig unregelmäßigen Abständen Gelegenheiten, Vertrauen zu schenken. Einer muss halt irgendwann anfangen und den ersten Schritt machen und das geschieht imho zu entsprechenden Gelegenheiten gut und immer wieder.

Gelegenheiten ergeben sich immer wieder; in den Scrum Events, aber auch im Lean Coffee, der Weihnachtsfeier oder der Kennenlernrunde  und nicht zuletzt im 1 zu 1 Gespräch (und natürlich zu vielen anderen Gelegenheiten).

Beispiel Kennenlernrunde

Laaaangweilig!! Immer der gleiche Sermon: Mein Name, meine Position/Aufgabe, meine Hobbys … Und deshalb bitte ich die Menschen in einer Kennenlernrunde neben den Standardinformationen auch eine Zusatzinformation von sich preis zugeben; gleichsam als Angebot sich verletzlich zu zeigen und einen Vertrauensvorschuss zu geben.

  • Was wollte ich immer schon machen und habe es bisher noch nicht geschafft?
  • Was habe ich in meiner Jungend gemacht und bisher nicht meiner Mutter erzählt?
  • Was habe ich schon mal gemacht, für das ich mich jetzt noch schäme?
  • Welches Essen mag ich überhaupt nicht und warum?

Diese Fragen lassen es offen, irgendeine Belanglosigkeit von sich zu geben und damit den Schutzmantel oben zu lassen. Aber sie sind ein Angebot, sich verletzlich zu zeigen, Vertrauen zu schenken. Oft, sehr oft, funktioniert das gut und die vertrauensvolle Bindung im Team wird gestärkt.

Beispiel Lean Coffee

Mit der Einführung eines Lean Coffee in einem Team mache ich immer deutlich, das es keine Beschränkung der Themen auf fachliche, technische oder sonstige Teaminhalte gibt. So habe ich die Gelegenheit auch mal ein etwas anders gelagertes Thema mit einzubringen. Auch wenn es nicht zur Diskussion kommt, da nicht hoch genug ge-dot-voted, so können Denkprozesse angestoßen werden. Themen, die ich schon mal eingebracht habe:

  • Frauen in Führungspositionen (führte zu einer intensiven Diskussion, die zu einem common sense im Team führte)
  • Was nehme ich mit von der Arbeit nach Hause und was von zu Hause mit zur Arbeit? (spannende, offene, vertrauensvolle Gespräche)
  • Wie geht ihr mit Überforderung/psychischem Druck am Arbeitsplatz um?

Ab einem bestimmten Punkt ist das nicht mehr nötig und die vertrauensbildenden Themen kommen aus dem Team.

Beispiel Weihnachtsfeier

Der Einladungstext umfasste die Aufforderung ein Gedicht, Text oder Lied mitzubringen und vorzutragen. Dies ist ein Experiment und ich bin sehr gespannt, ob diese den gewünschten, vertrauensstiftenden Effekt hat. Natürlich werde ich mit gutem Beispiel vorangehen.

 

Welche konkreten Anlässe nutzt Ihr, um Vertrauen zu fördern und Gelegenheiten zu stiften, Vertrauen zu schenken und entgegen zu nehmen?

 

 

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